August Müller, 1900 bis 1912

"Möge seine Wahl sich für die Stadt Kassel als ein Segen erweisen". Mit diesem Wunsch ließ die Zeitschrift "Hessenland" ihren Bericht über die Wahl des neuen Kasseler Oberbürgermeisters August Müller (12.2.1856 bis 10.4.1926) ausklingen.

August Müller (1900)

"Mit Weitblick und geschickter Hand"

Am 10. April des Jahres 1900 hatten sich die Kasseler Stadtväter ("Stadtmütter" sollten erst 19 Jahre später in das Stadtparlament einziehen) mehrheitlich für den bisherigen Bürgermeister der Stadt Eisenach als neues Stadtoberhaupt entschieden.

Der am in Dortmund geborene August Müller hatte 1874 in Hannover das Abitur abgelegt, bis 1877 in Heidelberg, Göttingen und Berlin Jura studiert und anschließend die klassischen Ausbildungsstufen Referendar und Assessor mit Erfolg absolviert. Nach einigen Jahren als Rechtsanwalt in Weimar wurde er im Jahre 1893 Oberbürgermeister in Eisenach. In diesem Amt hatte er sich – so hatten Erkundungen von Kasseler Seite anlässlich seiner Bewerbung ergeben – bestens bewährt.

Regierungspräsident August Freiherr von Trott zu Solz führte den Gewählten am 2. Juli 1900 feierlich in sein Amt ein. Der Stadtverordnetenvorsteher, Kommerzienrat Karl Pfeiffer, hieß das zukünftige Stadtoberhaupt herzlich willkommen. August Müller dankte – wie die Zeitschrift "Hessenland" berichtete – "in markigen Worten" und versicherte, dass er seine Pflichten streng und genau erfüllen wolle. Müllers Dienstantritt fiel in eine besonders dynamische Phase der Kasseler Stadtentwicklung. Gerade war das "Dorf" Wehlheiden mit 12 000 Einwohnern nach Kassel eingemeindet worden (1899). Eine große Herausforderung, die auf das neue Stadtoberhaupt zukam, war die Vorbereitung der Eingemeindung der Vororte Wahlershausen, Kirchditmold, Rothenditmold und Bettenhausen. Bald zeigte sich, dass Müller Verhandlungsgeschick besaß. Die schwierigen Gespräche über die Eingemeindungsverträge brachte er zu einem erfolgreichen Abschluss, so dass die Eingliederung der Ortschaften im Jahre 1906 reibungslos vor sich ging. 18 000 Umlandbewohner wurden damit zu Bürgern der Stadt Kassel.

Aus Nordhessen und Thüringen, aber auch von weiter her zog es in dieser Zeit zahlreiche Menschen auf der Arbeitssuche nach Kassel, insbesondere in die großen Fabriken wie die Lokomotivfabrik Henschel & Sohn am Holländischen Platz oder die Waggonfabrik Wegmann & Co. in Rothenditmold. Mädchen vom Lande gingen häufig als Haushaltshilfe in gutbürgerliche Haushalte, die es vor allem im Vorderen Westen gab. Dort nahmen sich gutgestellte Beamte, Offiziere oder auch Geschäftsleute eine Wohnung. So wuchs Kassel im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts um insgesamt 50 000 von 103 000 auf 153 00 Einwohner!

Entsprechend dem Charakter der Wilhelminischen Epoche war man darauf bedacht, staatliche Macht und bürgerlichen Besitz durch repräsentative Bauwerke darzustellen, wobei meist der Barockstil als Gestaltungselement herangezogen wurde. Zahlreiche große öffentliche Gebäude wurden eingeweiht, 1904 die Landesversicherungsanstalt und 1907 die Oberpostdirektion in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße, 1907 das Polizeipräsidium im Königstor, 1909 die Kunstakademie an der Aue und das prächtige Theatergebäude am Friedrichsplatz.

Ein besonderer Höhepunkt nicht nur für Oberbürgermeister August Müller sondern auch für die gesamten städtischen Körperschaften, die Kommunalbeamten und die Bevölkerung war die Einweihung des nicht minder prächtigen neuen Rathauses an der Oberen Königstraße. Vor 400 geladenen Gästen hielt Oberbürgermeister August Müller am 9. Juni 1909 eine Weiherede, die in den pathetischen Worten gipfelte: "Dieser in hoher Schönheit aus den Häusern der Stadt Kassel emporragende Bau, der größte, den sie jemals unternommen hat, und der noch fernen Zeiten Kunde geben wird von der Kraft und Schaffensfreude heutigen Bürgertums und der hohen Blüte der Kunst und des Handwerks unserer Tage, möge alle Zeit von regem und reichem Leben umflutet werden, er möge friedliche und glückliche Zeiten und vor allem ein starkes und stolzes Bürgertum schauen, dem selbst in den Tagen der schwersten Not die Wohlfahrt der Stadt das höchste Gesetz bedeutet".

Im Juli 1912 endete Oberbürgermeister Müllers Amtszeit. Schon Anfang des Jahres teilte der Sechsundfünfzigjährige den städtischen Körperschaften mit, dass er eine Wiederwahl aus Gesundheitsgründen nicht annehmen würde. Als er sich in der Magistratssitzung vom 19. Juni 1912 offiziell verabschiedete, stand sein Nachfolger schon fest. Bereits am 25. April hatten sich die Stadtverordneten für Dr. Ernst Scholz entschieden.

Der gebürtige Dortmunder und zeitweilige Thüringer August Müller blieb in Kassel und verbrachte hier seinen Lebensabend. Er starb am 10. April 1926 – auf den Tag genau 26 Jahre nach seiner Wahl zum Kasseler Oberbürgermeister.