Geschichte

Die Anfänge der heutigen Musikakademie liegen in privaten Einrichtungen, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein musikalisches Bildungsangebot für die Bürger der Stadt bereit hielten. 2014 feierte die Musikakademie ihr 75-jähriges Bestehen.

Das 1895 von den Schwestern Boyer gegründete Conservatorium Kassel hatte seinen Schwerpunkt im Instrumentalunterricht. Daneben war das Steinsche Conservatorium , 1904 von Kapellmeister Heinrich Stein gegründet, bis zu dessen Tod 1922 von Bedeutung, es bestand bis 1942 weiter. 1909 war es in Spohr-Conservatorium umbenannt worden, nachdem 1908 unter aktiver Mitwirkung Steins die (ältere) Spohr-Gesellschaft gegründet worden war, die bis 1934 bestand; die heutige  Louis-Spohr (Öffnet in einem neuen Tab)-Gesellschaft konstituierte sich 1952.

Richteten sich die beiden Konservatorien an musikalische Laien, so widmeten sich seit 1912 die Kurse von Fräulein Minna Ritz erstmals der Ausbildung von Privatmusiklehrern, die 1927 im Musikseminar des Reichsverbandes deutscher Tonkünstler und Musiklehrer Ortsgruppe Kassel auf breiterer, berufsständischer Basis fortgeführt wurden.

Zum 1. Oktober 1939 wurden das Kasseler Conservatorium und das Musikseminar, beides bis dahin noch auf Privatinitiative bzw. freiwilligem berufsständischem Zusammenschluss arbeitende Unternehmen, zum Konservatorium und Musikseminar der Stadt Kassel zusammengefasst, 1942 kam das Spohr-Conservatorium hinzu. Damit war in Kassel erstmals eine städtische Einrichtung für musikalische Berufs- und Laienausbildung gegeben, eine Struktur, die in vielen anderen deutschen Städten bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand.

Dass musikalische Berufsausbildung Aufgabe eines öffentlichen Instituts ist, gilt heute als selbstverständlich; auch die Idee, Unterrichtsangebote für Laien im Sinne einer Musikschule zu machen, wie es der Begriff "Konservatorium" in den älteren Instituten zum Ausdruck brachte, ist kein Diskussionsgegenstand mehr. Die Gründung entsprach jedoch dem, was im Sprachgebrauch der damaligen Ideologie "Gleichschaltung" hieß und damit jegliche selbstständige Entfaltung eines Musiklehrers ausschaltete. Fred K. Prieberg hat eingehend dargelegt, dass private musikalische Berufsausübung ohne Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer unmöglich war bis zu dem Extrem, dass die verpflichtende Mitgliedschaft selbst für Wandermusikanten ernsthaft erwogen wurde.

Karl Vötterle (1903 bis 1975), Gründer und langjähriger Inhaber des Bärenreiter-Verlags, berichtet in seinem Buch "Haus unterm Stern", wie er im Herbst 1943 unter großen Schwierigkeiten eine Vortragsveranstaltung organisiert hat. Der zuständige Gauleiter hat den Vortrag als Veranstaltung des Geschäftshauses abgelehnt, ihn jedoch stattfinden lassen, da nun die NSDAP alles Vorbereitete übernahm und als Veranstalter auftrat. Daraus ist leicht zu ersehen, dass für einen Musiklehrer praktisch keine Möglichkeit sinnvoller Tätigkeit aus eigener Initiative mehr bestand. Die Gründung des Konservatoriums und Musikseminars der Stadt Kassel war in der Kulturpolitik der Zeit eine conditio sine qua non; der positive Aspekt, die Gründung eines öffentlichen Instituts, wurde durch die Ausschaltung privater Möglichkeiten nivelliert.

Zudem bot der Zeitpunkt der Gründung, vier Wochen nach Ausbruch des zweiten Weltkriegs, kaum Möglichkeiten für eine sinnvolle Aufbauarbeit. Bei dem Angriff auf Kassel am 22. Oktober 1943 gingen die Unterlagen über die Musikakademie (und anderes) im Rathaus und im Stadtarchiv verloren. In der Musikakademie selbst, die den Krieg unversehrt überstand, haben die Bibliotheksbestände der drei Vorgänger-Institute überdauert. Hinweise auf Konzerte haben sich aus den Kriegsjahren nicht erhalten.

Nach den Kriegsjahren wuchs die Bedeutung der Akademie schnell. 1955 wurde das Kasseler Konservatorium durch einen Erlass des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung zur "Musikakademie der Stadt Kassel" ernannt.

2012 war für die Musikakademie ein besonderes Jahr. Durch einen Beschluss des  Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel erhielt die Musikakademie den Beinamen "Louis Spohr". Mit dieser Entscheidung war einerseits der Wunsch verbunden,  die Erinnerung an Leben und Werk der wohl prägendsten Persönlichkeit der Musikgeschichte unserer Stadt lebendig zu erhalten. Spohr prägte als Komponist, Geiger, Dirigent und Musikpädagoge das musikalische Leben in Kassel über viele Jahre und führte es zu einem neuen Höhepunkt. Sein Name steht aber auch für einen bis dahin in der Musikwelt unbekannten Professionalitätsanspruch, mit dem er die Interessen von ausübenden Musikern gegenüber adeligen oder bürgerlichen Auftraggebern offensiv vertrat, in dem er aber auch eine Selbstverpflichtung der Musiker zu Disziplin, Fleiß sowie zur Hochachtung für das Werk sah. Diese Geisteshaltung vertrat er auch im Unterricht gegenüber seinen zahlreichen Schülern. Sein Interesse an der Nachwuchsförderung veranlassten ihn zur Gründung einer musikalischen Bildungsstätte in Kassel, einer direkten Vorgängerinstitution der heutigen Musikakademie.

Außerdem wurden durch die Novellierung des Hessischen Gesetzes zur staatlichen Anerkennung von Berufsakademien durch den Landtag und die Landesregierungen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um aus der bisherigen Musikakademie der Stadt Kassel, Berufsakademie für musikpädagogische Berufe zu machen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte kann die Musikakademie der Stadt Kassel "Louis Spohr" jetzt eigenständig mit dem Bachelor einen vollakademischen und internationalen Studienabschluss verleihen, eine besondere Auszeichnung und Anerkennung der Qualität der musikalische Ausbildung.

  • Musikakademie

    Über Louis Spohr

    Die Musikakademie der Stadt Kassel ist nach Louis Spohr (1784-1859) benannt. Der Kasseler Hofkapellmeister und Komponist gehört zu den herausragenden Musiker-Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts.
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