Die Anfänge - erster fester Theaterbau Deutschlands
1599 entstand das legendären Globe Theatre von William Shakespeare in London - nur vier Jahre später ließ Landgraf Moritz der Gelehrte das erste feste Theatergebäude des Kontinents errichten. Architekt war der Hofbildhauer Wilhelm Vernuken. Zuvor hatten die Schauspielaufführungen des Kasseler Hofes im Landgrafenschloss stattgefunden, wobei Moritz ab 1594 englische Schauspielertruppen verpflichtete. Das Gründungsjahr der Hofkapelle (1502), dem heutigen Staatsorchester, lag da schon lange zurück).
Bemerkenswert: Die Namen von zwei Hofleuten aus Dänemark, die 1594 gleichzeitig mit der ersten englischen Theatertruppe in Kassel waren, tauchen in Shakespeares weltberühmten "Hamlet" auf, nämlich Ove Rosencrantz und Carl von Güldenstern. Ein Zufall kann das nicht sein.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde 1621/22 der Theaterbetrieb eingestellt. Das Ottoneum ist heute Sitz des Naturkundemuseums.
Wiederbelebung des Schauspiels und erste Kasseler Opernaufführung
Erst unter Landgraf Carl (reg. 1670-1730) wurde im Ballhaus vor dem Schloss wieder ein Theater eingerichtet. Er ließ auch 1701 die erste italienische Oper in Kassel aufführen und vergrößerte die Zahl der Musiker erheblich. Carls Sohn Wilhelm löste dann allerdings die Hofkapelle auf, Opern kamen nicht mehr zur Aufführung. Neubaupläne von François de Cuvilliés d. Ä. (Architekt von Schloss Wilhelmsthal)für ein Theater anstelle des alten Ballhausgebäudes blieben unausgeführt. In leicht veränderter und vergrößerter Form wurden die Entwürfe allerdings etwas später im Münchener Residenztheater, dem heutigen Cuvilliés-Theater, realisiert.
Landgraf Friedrich II. richtete sofort nach seinem Regierungsantritt 1760 die Hofkapelle wieder ein, und nach Ende des Siebenjährigen Krieges engagierte er französische Schauspieler. 1771 ließ er das Komödienhaus vor dem Schloss durch Simon Louis du Ry neu errichten, welches jedoch schon 1787 wieder abbrannte.
Das neue Theater - Hoftheater in der Königsstraße
Für die Oper ließ Friedrich II. 1765-1769 durch Kassels Stararchitekten Simon Louis du Ry ein Palais an der Stelle des heutigen Kaufhofs in der Königsstraße umbauen. Der daneben liegende Platz heißt danach bis heute Opernplatz. Hinter den Repräsentationsräumen des Palais befanden sich Zuschauerraum und Bühnenhaus. Neuer Hofkapellmeister war Ignatio Fiorillo. Zunächst bevorzugte der Landgraf die italienische Oper, bis sie Ende der 1770er Jahre zunehmend von der französischen verdrängt wurde. Ab Anfang 1780 kamen zudem deutsche Sing- und Schauspiele auf die Spielpläne beider Kasseler Theater.
Nach dem Tod Friedrichs II. 1785 hob Wilhelm IX. im Zuge der Verringerung der Hofkosten Oper, Orchester und Ballett auf. Für die nächsten 20 Jahre bestimmten deutsche Wanderbühnen die Szene, der Plan eines deutschen Nationaltheaters kam nicht zur Ausführung.
Das Hoftheater des Königreichs Westphalen
1807-1813 wurden im damaligen Théatre royale des Königreichs Westphalen vor allem französische Werke bevorzugt. Orchester und Schauspiel waren aus Braunschweig übernommen worden. Generalmusikdirektor war zunächst Johann Friedrich Reichardt aus Berlin. Dann versuchte König Jérôme, Beethoven zu gewinnen, der aber in letzter Minute ein besseres Angebot von seinen Wiener Gönnern erhielt und deshalb wieder absagte. Schließlich wurde Felice Blangini aus Turin Leiter der Hofkapelle und verhalf ihr zu einem ausgezeichneten Ruf.
Eines der renommiertesten Opernhäuser Europas - Louis Spohr
Nach der Wiederherstellung Kurhessens 1813/14 wurde das Theater als Unternehmertheater mit neuem Personal wiedereröffnet. Ab 1821 wandelte Wilhelm II. es jedoch wieder zu einem Hoftheater mit fest bestallten Mitgliedern um und förderte vor allem die Oper. Hofkapellmeister wurde der bedeutende Geiger und Komponist Louis Spohr. Zugleich wurde das Opernhaus 1821 / 1822 durch den Hofbaumeister Johann Conrad Bromeis umgebaut und neues Personal verpflichtet. Die Oper galt fortan als eine der besten in Europa. Bald nach dem Regierungsantritt des Kurprinzen Friedrich Wilhelm 1831 führten erhebliche Sparmaßnahmen allerdings zu Entlassungen und teilweise zum Austausch des Personals. Spohr konnte jedoch den hervorragenden Ruf des Kasseler Theaters auch weiterhin aufrechterhalten. Der Spielplan wurde nun vor allem von der neuen großen französischen und italienischen Oper geprägt.
Die preußische Zeit - Gustav Mahler
1866 ging mit dem Ende Kurhessens auch das Hoftheater an die preußische Krone über. 1883-85 war Gustav Mahler Musik- und Chordirektor in Kassel und begann hier mit der Arbeit an seiner ersten Symphonie. In der Folgezeit dominierten die Opern Wagners, Mozarts, Beethovens und Webers.
Das preußische Theater
Das alte Theatergebäude an der Königsstraße / Opernplatz erwies sich Ende des 19. Jahrhunderts als unzureichend. Es war zu klein für die ständig wachsende Einwohnerzahl und der Brandschutz nicht ausreichend. Intendant Freiherr von Gilsa entwickelte kurz nach 1900 den Plan, das Theatergrundstück zu verkaufen und aus dem Erlös einen Neubau an der offenen Schmalseite des Friedrichsplatzes, am bisherigen Auetor, zu errichten, zumal das Gelände ebenfalls dem Fiskus gehörte.
Es folgten in Kassel zunächst heftige Diskussionen wegen des neuen Standorts. Nachdem aber 500 Bürger in einer Immediateingabe an den Kaiser den Vorschlag von Gilsas und den neuen Standort unterstützt hatten und Oberbürgermeister Müller für den Plan eintrat, wurde der Auftrag erteilt. Über das Gelände des alten Theaters, das bis zur Wolfsschlucht reichte, wurde ab 1909 die Opernstraße gelegt.
An der Fassade lagen Vestibül und Wandelhalle, dahinter das große Treppenhaus zu den Rängen. Der Zuschauerraum war in den Farben Rot, Gold und Elfenbein gestaltet, an der Decke die neun Musen, an zentraler Stelle im 1. Rang die Kaiserloge.
Das Theater hatte weiterhin einen hervorragenden künstlerischen Ruf. 1925-27 war Ernst Krenek als künstlerischer Beirat am Theater tätig, der unter anderem seine Oper Orpheus und Eurydike 1927 zu einer Aufsehen erregenden Uraufführung brachte. 1928 dirigierte Eduard Künnecke selbst seine Oper Der Vetter aus Dingsda.
Die Weltwirtschaftskrise 1929 gefährdete bald den Bestand des Kasseler Theaters. Eine Schließung konnte zwar abgewendet werden, die Verwaltung ging aber bis 1935 provisorisch an die Stadt über.
Glanzzeit und Krise
Das Theater hatte weiterhin einen hervorragenden künstlerischen Ruf. 1925-27 war Ernst Krenek als künstlerischer Beirat am Theater tätig, der unter anderem seine Oper Orpheus und Eurydike 1927 zu einer Aufsehen erregenden Uraufführung brachte. 1928 dirigierte Eduard Künnecke selbst seine Oper Der Vetter aus Dingsda.
Die Weltwirtschaftskrise 1929 gefährdete bald den Bestand des Kasseler Theaters. Eine Schließung konnte zwar abgewendet werden, die Verwaltung ging aber bis 1935 provisorisch an die Stadt über.
In der NS-Zeit bestimmte dann die Zensur den Spielplan, bis hin zur Veränderung der Stücke: So wurden in der Oper Nabucco aus den gefangenen Juden kurzerhand Ägypter gemacht. Planungen der späten 30er-Jahre, das Ottoneum zum Schauspielhaus umzubauen, das Theater zu erweitern und zusätzlich ein eigenes Magazingebäude zu errichten, wurden durch den Zweiten Weltkrieg vereitelt.
Schäden in der Bombennacht
Beim Bombenangriff vom 22.Oktober 1943, bei dem rund 10.000 Menschen ums Leben kamen und die Altstadt Kassels in einem Feuersturm verbrannte, wurden die technischen Gebäudeteile des Theaters zerstört: Bühnenhaus, Malersaal und Verwaltungsräume brannten aus; die wertvolle Bibliothek wurde vernichtet. Dank der vorbildlichen Brandschutzvorkehrungen des Gebäudes blieb aber der vordere Baukörper mit Zuschauerraum und Repräsentationsräumen weitgehend unbeschädigt, und sein Dach wurde kurz nach dem Angriff von den Theaterleuten selbst wieder neu eingedeckt. Die Oper wich zunächst in die Stadthalle aus, das Schauspiel nach Bad Hersfeld, bis 1944 alle deutschen Theater geschlossen wurden.
Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach Kriegsende wurde zunächst die stark beschädigte Stadthalle als Spielstätte wiederhergestellt: noch Ende 1945 das Vestibül, Anfang 1946 auch der Blaue Saal. Die Spielzeit 1945/46 wurde allerdings noch in Bad Hersfeld eröffnet. Bald wurden Planungen für das Gebäude am Friedrichsplatz aufgestellt, das inzwischen weitere Schäden im Bereich der Wandelhalle erlitten hatte. Es war eine stufenweise Wiederherstellung vorgesehen. Als erster Schritt sollte das Bespielen einer Behelfsbühne vor dem Eisernen Vorhang ermöglicht werden. In der Bevölkerung wurden bereits Spenden für den Wiederaufbau gesammelt. Die städtische Aufbauplanung sah jedoch den Abbruch des "wilhelminischen" Gebäudes vor, ein Ideenwettbewerb wurde ausgeschrieben. 1953 wurde das alte Theater gegen heftige Proteste der Bevölkerung abgebrochen.
Staatstheater Kassel - Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg
Der Bau nach dem prämierten Entwurf von Hans Scharoun für die Ostecke des Friedrichsplatzes wurde zwar im Oktober 1954 auch begonnen, aus mehreren Gründen dann aber eingestellt. Statt dessen erarbeitete Paul Bode, der jüngere Bruder von documenta-Gründer Arnold Bode, im Winter 1954/55 im Auftrag des Landes Hessen kurzfristig einen neuen Entwurf, der bis 1959 realisiert wurde.
Das neue Gebäude verfügt über zwei getrennte Zuschauerräume und Bühnen für Oper und Schauspiel. Neben den klassischen Werken wurden in den 1950er Jahren auch Berg, Hindemith und Henze verstärkt aufgeführt. Das Orchester konnte in den 1960er Jahren erheblich vergrößert werden.
Das Staatstheater Kassel ist heute ein Drei-Sparten-Theater mit Opern / Operetten, Schauspiel und Ballett. Es zeichnet sich durch Förderung des künstlerischen Experiments, Pflege des Ensembletheaters und Tuchfühlung mit dem sozialen Leben von Stadt und Region aus.
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Aufführungen und Termine
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