Bertram Hilgen, 2005 bis 2017

In der zwölfjährigen Amtszeit von Bertram Hilgen (*9.2.1954), von steigendem Wohlstand begleitet, vollzog sich endgültig ein Imagewandel: Die Kasselerinnen und Kasseler waren wieder stolz auf ihre Stadt.

Bertram Hilgen

Das neue Kassel-Gefühl

Dass das Magazin "Wirtschaftswoche" im Jahr 2011 Kassel als dynamischste Großstadt Deutschlands kürte, nahm vorweg, was in den Jahren danach folgte: eine ganz neue und positive Reputation der Stadt. Ob es die Neuordnung der Museumslandschaft betraf, das mediale Echo auf die documenta im Jahr 2012, die 1100-Jahr-Feier, den Hessentag mit 1,8 Mio. Gästen oder der UNESCO-Welterbetitel für den Bergpark Wilhelmshöhe im Jahr 2013: Plötzlich blickten nicht nur die Kasseläner, Kasselaner und Kasseler mit anderen Augen auf ihre Stadt, auch national und international rückten die Besonderheiten der Stadt positiv in den Mittelpunkt. 

Hilgens Amtszeit profitierte von guten Wirtschaftsdaten in Stadt und Land. Kassel sah nach beispiellos hohen Erwerbslosenzahlen Anfang der 2000er-Jahre und Jahrzehnte andauernder Haushaltsdefizite Licht am Ende des Tunnels und bewältigte den langwierigen Strukturwandel. Heute gilt es als beispielgebend dafür, wie Kommunen mit plötzlich wechselnden Rahmenbedingungen umgehen. Das Oberzentrum und sein Umland gehören zu den zehn innovativsten Regionen Europas. Dafür nutzte Hilgen die der Kommune zur Verfügung stehenden Stellschrauben, so etwa bei Infrastrukturplanung, Wirtschaftsförderung, Haushaltsführung und der Verwaltungsmodernisierung.

In der Ägide Hilgens hat Kassel wirtschaftlich einen großen Schritt nach vorne gemacht. Kassel hat ein herausragendes kulturelles Profil entwickelt, über das selbst deutlich größere Städte nicht ansatzweise verfügen. Die Stadt gilt heute als eine der grünsten Großstädte Deutschlands mit viel Lebensqualität, in der das Miteinander der Menschen aus aller Welt und aus unterschiedlichen Kulturen erstaunlich konfliktfrei verläuft. Den Stadtfrieden zu sichern und der Einsatz für Integration waren für Hilgen.

Bertram Hilgen wurde 1954 in Tann/Rhön geboren; sein Vater war dort langjähriger Bürgermeister. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Politikwissenschaften in Marburg. Seine erste berufliche Station nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung (Prädikatsexamen) führte ihn 1980 ins Kasseler Rathaus – zunächst als Referent von Oberbürgermeister Hans Eichel, ab 1986 als jüngster Rechtsamtsleiter. Als Eichel 1991 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, folgte ihm Hilgen nach Wiesbaden. In der Staatskanzlei leitete er zunächst die Abteilung für politische Grundsatzfragen, ab 1995 die Abteilung für Landespolitik. Von 1996 bis zum Regierungswechsel in Hessen 1999 war er Regierungspräsident in Kassel, anschließend Direktor des Kommunalen Gebietsrechenzentrums Kassel (KGRZ), übernahm 2001 zusätzlich die kommissarische Leitung des KGRZ Wiesbaden und war von 2002 bis 2005 zusätzlich Geschäftsführer der ekom21 GmbH. 2005 wurde der Sozialdemokrat in der Stichwahl mit 53,4 Prozent der Wählerstimmen zum Oberbürgermeister der Stadt Kassel gewählt. In der Direktwahl am 2011 setzte er sich gegen fünf Mitbewerber im ersten Wahlgang mit 51,3 Prozent der Stimmen durch.

Als Bertram Hilgen sein Amt antrat, lag die Arbeitslosenquote bei 19,6 Prozent. Zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung betrug sie nur noch 7,9 Prozent. In seiner Amtszeit sind über 19.300 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Wurden 2005 Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 115 Mio. Euro erzielt, liegt das Niveau mittlerweile stabil bei ca. 160 Mio. Euro. Nachdem von 2013 bis 2016 vier Mal Haushaltsüberschüsse von insgesamt 104 Mio. Euro erzielt wurden, konnte Kassel als erste hessische Stadt den Schutzschirm des Landes verlassen.

Um den Wirtschaftsstandort weiterzuentwickeln, hat Bertram Hilgen gegen viele Widerstände und Bedenken den Gewerbepark Kassel-Niederzwehren auf den Weg gebracht. Im Wissen um die Bedeutung des Wissenstransfers für die Zukunft Kassels hat er die Zusammenarbeit  mit der Universität auf eine neue Grundlage gestellt. So hat sich die Stadt mit 7,8 Mio. Euro an der Finanzierung des Science Parks auf dem Campus beteiligt – das Gründungs- und Innovationszentrum bringt gute Ideen mit dem Knowhow aus der Wirtschaft zusammen. Bertram Hilgen hat sich maßgeblich dafür eingesetzt, die Stadt zu einem Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien zu entwickeln. Dass am Hauptbahnhof für 100 Mio. Euro das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik entsteht, ist die Krönung dieser Arbeit. 

Auf dem Weg zu einer noch bürgerfreundlicheren Verwaltung haben Stadt und Landkreis Gesundheitsämter, die Volkshochschulen, die Kfz-Zulassungsstellen und die Ausländerbehörden zusammengelegt und wurden die Öffnungszeiten ausgeweitet. Gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit hat Hilgen die Zahl der Ausbildungsplätze bei der Stadt verdoppelt. Seit 2005 stieg die Zahl der Betreuungsplätze von 2005 auf 10.500. Kassel wächst gegen den demografischen Trend: Die Einwohnerzahl erhöhte sich von 192.000 auf derzeit 202.000.

Auch der Kulturdezernent Bertram Hilgen kann auf viele Erfolge zurückblicken: Die drei Weltmarken documenta, Brüder Grimm und Bergpark Wilhelmshöhe können jetzt tatsächlich den Anspruch erheben können, eine Weltmarke zu sein. Am Ende seiner Amtszeit ist es gelungen, die Finanzierung für das künftige documenta-Institut auf dem Uni-Campus sicherzustellen; die Grimmwelt auf dem Weinberg ist ein Publikumsmagnet geworden und gilt als eines der zehn besten Museen weltweit; in einer gemeinsamen Anstrengung von Stadt und Land wurden der Bergpark mit den Wasserspielen und dem Herkules in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen, was die Besucherzahlen in die Höhe schnellen ließ. Auch das Stadtmuseum wurde grundlegend saniert und erweitert.

Als Vellmar auf die Ausrichtung des Hessentags 2013 verzichtete, griff Oberbürgermeister Hilgen beherzt zu und holte das Hessenfest nach Kassel. Es endete mit einem Besucherrekord und einem Überschuss von 870.000 Euro. Ebenso ist es sein Verdienst, dass ein über Jahrzehnte immer wieder diskutierte stadtentwicklungspolitische Vision Wirklichkeit wurde: Die Ende 2009 eröffnete Fuldauferpromenade hat die Stadt und ihre Menschen näher an den Fluss gebracht.

Weitere Meilensteine einer erfolgreichen Amtszeit: Das Klinikum wurde nicht privatisiert, die Holding schreibt seit neun Jahren schwarze Zahlen. Das Auestadion wurde modernisiert und in die Neuordnung der Bäderlandschaft flossen 46 Mio. Euro.

Auch als Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages und als Präsident des Hessischen Städtetages war Bertram Hilgen stets sehr gut vernetzt und ein geschätzter Gesprächs- und Verhandlungspartner. Als Präsident des Hessischen Städtetages hat er mit dem Land über den kommunalen Finanzausgleich und die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung verhandelt und ein für die Kommunen gutes Ergebnis erzielt. Bei seiner Verabschiedung wurde Bertram Hilgen vom Hessischen Finanzminister Schäfer mit dem Verdienstorden ausgezeichnet.

Bertram Hilgen kennzeichnete, dass er entlang langer Linien dachte, plante und agierte und sich nicht scheute, heiße Eisen anzupacken und Konflikte durchzustehen.