Stadt vergibt erstmals Stipendien für Kunst-Nachwuchs

Die fünf Stipendien für künstlerischen Nachwuchs aus Kassel gehen an Vreneli Harborth für den Bereich „Bildende Kunst“, Gabriela Apollo dos Santos Branco für den Bereich „Darstellende Kunst“, Melanie Lüdke für Literatur/Bildende Kunst, Lenz Domingo Faas für Musik und Yannick Stark für den Bereich „Film und Medien".

Eine siebenköpfige Fachjury hat die fünf jungen Kunstschaffenden aus Kassel für die erstmalig in 2024 ausgeschriebenen Stipendien für künstlerischen Nachwuchs ausgewählt. Insgesamt waren über 60 Bewerbungen aus den Bereichen Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Literatur, Musik sowie Film und Medien für die insgesamt fünf zu vergebenden Stipendien eingegangen.

„Die zahlreichen qualifizierten Bewerbungen von jungen Kunstschaffenden zeigen das große Potenzial der jungen Kunstszene in Kassel, aber auch wie wichtig solche Förderangebote sind. Der Fachjury ist die Auswahl dementsprechend nicht leichtgefallen. Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich für die engagierte Arbeit der Jurymitglieder sowie bei allen Bewerberinnen und Bewerbern für die hohe Qualität der eingereichten Portfolios bedanken“, so Oberbürgermeister Sven Schoeller. 

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten erhalten in den kommenden sechs Monaten ein monatliches Entgelt von 1.300 Euro sowie eine mentorische Begleitung durch eine lokale Expertin oder einen lokalen Experten aus dem Kulturbereich. Die Stipendien sollen die künstlerische Entwicklung der jungen Kunstschaffenden fördern und den Übergang in das Berufsleben erleichtern. Bewerben konnten sich Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten mit Wohnsitz in Kassel, die nicht älter als 35 Jahre sind und deren Studienabschluss an einer fachlich qualifizierten Institution nicht länger als drei Jahre zurückliegt. 

„Wir gratulieren den für 2024 ausgewählten Stipendiatinnen und Stipendiaten und freuen uns, ihnen mit dem Stipendium der Stadt Kassel die Möglichkeit zu geben, ein künstlerisches Arbeitsvorhaben konzentriert zu verfolgen, ohne sich um finanziellen Unterhalt sorgen zu müssen,“ ergänzt Kulturamtsleiterin Carola Metz.

Die Stipendien werden im Herbst begonnen. In einer Abschlusspräsentationen im Frühjahr 2025 werden die ausgewählten Stipendiatinnen und Stipendiaten einen Einblick in ihre mit Hilfe des Stipendiums verfolgten Projekte geben. 

Die geförderten Kunstschaffenden

Vreneli Harborth beschäftigt sich künstlerisch mit der Materialisierung von Daten, deren binären Codes sie in textile Muster überträgt. Ihr Recherchevorhaben, für das die Künstlerin den Geschichten der Arbeiterinnen im Werk der Zuse KG in Bad Hersfeld nachgeht, überzeugte die Jury. Der wesentliche Beitrag von Frauen in der Entwicklung der Computertechnologie ist – auch in Nordhessen – weitestgehend unbekannt und soll durch Harborths Arbeit öffentlich sichtbar werden.


Gabriela Apollo dos Santos Branco tastet im Bereich Darstellende Kunst mit ihrer künstlerischen Praxis Risse in persönlichen Biografien, Erlebnissen und Machtgefüge ab. In Kassel wird sie ihre sogenannte “Fissure-Methode” weiterentwickeln und mit Menschen aus der Stadt, auch ohne künstlerischen Hintergrund, performative Interventionen und Co-Creationen entwickeln. Durch ihre ästhetisch konsequente Auseinandersetzung mit der eigenen Disziplin - dem Tanz - hat sie die Jury für sich gewonnen. 


Melanie Lüdtkes Arbeitsvorhaben, eine Graphic Novel zum Themenkomplex Flucht und Migration zu erarbeiten, zeichnet sich nicht nur durch hohe gesellschaftliche Relevanz aus, sondern zeugt auch von einem differenzierten und sensiblen Zugriff auf die Thematik, einem gut strukturierten und ausgearbeiteten Konzept und großer Hingabe zu grafischer wie narrativer Gestaltung. 


Lenz Domingo Faas ist Komponist und Produzent an der Schnittstelle zwischen organischen also natürlichen, erdigen akustischen Elementen und elektronischen Klängen. Mit bereits internationalem Erfolg erforscht er akademisch und musikalisch die Wechselwirkung von Kultur und Technologie. Lenz Domingo Faas progressive Haltung angesichts durch K.I. herausgeforderter Kunst hat die Jury überzeugt: Sein Projekt ist die Suche nach Identität als Kern künstlerischer Wertschöpfung, der er in Kollaboration mit anderen Kasseler Kunstschaffenden konkrete musikalische Gestalt verleihen wird.


Yannick Stark ist Animationsfilmemacher, der sich inhaltlich auf Themen konzentriert, die helfen, Wissen zu vermitteln oder auf gesellschaftliche Krisen und Probleme verweisen. Nun möchte er mit Max Holicki und einem Team ein Konzept für die Serie „Knetball“ erstellen. „Knetball“ verfolgt das Ziel, Kindern auf spielerische Art politische Grundbegriffe näher zu bringen. Die Jury war von dem Teaser und Yannicks präziser bisheriger Arbeit überzeugt. 


Die Fachjury

Eine unabhängige Fachjury entscheidet über die Vergabe der Stipendien. Sie besteht aus fünf lokalen Expertinnen und Experten aus den Sparten Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Literatur, Musik, Film und Medien sowie aus einer überregionalen Expertin und einem städtischen Vertreter aus dem Kulturressort. 

Aktuell sind folgende Personen in der Jury:
Joey Arand arbeitet an der Schnittstelle von zeitgenössischer Kunst und Film. Ihre Filme wurden auf vielen Festivals, wie dem GoEast Festival, dem Hamburger Kurzfilm Festival oder den Max Ophüls Preis, vorgeführt. Ihre künstlerischen Werke stellte sie unter anderem in der Grimmwelt Kassel oder dem Hinterconti Hamburg aus. 2017 wohnte sie als Stipendiatin in der Künstlerkolonie Willingshausen, 2019 in der “Cité des Arts” auf la Réunion. 2018 bis 2023 arbeitete sie als Lehrkraft an der Kunsthochschule Kassel.

Julia Blando studierte Theaterwissenschaft und Dramaturgie in Leipzig und Ludwigsburg. Seit Juli 2024 ist sie Geschäftsführerin und Kuratorin der Stiftung Brückner-Kühner in Kassel. Sie ist Gründungsmitglied des Performance-Kollektives gossips und hat als freie Dramaturgin unter anderem für das Nationaltheater Mannheim, das Staatstheater Cottbus, das Theater der Jungen Welt (Leipzig) und das Ensemble Materialtheater (Figurentheater, Stuttgart) sowie mit Constantin Hochkeppel (physical theatre, Köln) gearbeitet.

Juli Mahid Carly Schwerpunkt liegen unterer anderem auf Theaterregie und Performance und hat bereits unter anderem am Volkstheater München, am Jungen Nationaltheater Mannheim und am Theater Konstanz gearbeitet. Mit Kassel verbindet Juli eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Studio Lev. Zudem lehrt Juli an der ADK Ludwigsburg und am Middlebury College.

Ekachai Eksaroj studierte Mode-Design in Berlin sowie Bildende Kunst in Kassel und Braunschweig. Bis 2019 war er Co-Kurator des Projekts LAGE in Kassel. Er war etwa Stipendiat in Willingshausen und auf Schloss Balmoral. Seine Arbeiten waren bereits an zahlreichen Ausstellungen beteiligt. Darunter Berlin Art Week, Arp Museum, General Consulate NYC, kestnerschau, Stoschek Collection, Museum Fridericianum, Hamburger kurzfilmfestival, Kasseler Kunstverein und Parkhaus im Malkastenpark. Eksaroj arbeitet als freier Künstler sowie Designer und leitet die Geschäftsstelle des Kasseler Kunstvereins.   

Ann-Charlotte Günzel ist freie PR-Beraterin für Kulturinstitutionen und daneben als Autorin und Lektorin tätig. Sie ist national und international für Projekte der Bildenden Kunst, des Freien Theaters und der Performing Arts aktiv und betreute beispielsweise das Impulse Theater Festival (2024) und das NEW NOW Festival für Digitale Künste in Essen (2023). Als Kommunikationsleitung war sie für das internationale Produktionshaus PACT Zollverein in Essen (2017-2022), den Deutschen Pavillon der Venedig Biennale (2017) und das Fridericianum in Kassel (2015-2017) verantwortlich.

Marc Seefried ist freiberuflicher Musiker in Kassel und arbeitet neben seiner Tätigkeit in Bands wie MYKKET MORTON seit einigen Jahren als Schlagzeuglehrer. Parallel zu seinem Abschluss in Philosophie und Germanistik war er mehrjähriger Teilnehmer des Nachwuchsförderprogramms "Sommerakademie für komische Kunst" der CARICATURA Kassel, Mitinitiator des Kulturortes ‚DasFranzUlrich' und absolvierte erfolgreich sein Studium an der Ecole de Batterie - Winni Borgolte.

Dr. Holger Schwetter ist Musik- und Medienwissenschaftler sowie Kulturmanager. Er lehrte und forschte unter anderem an der Leuphana Universität Lüneburg, der TU Dresden und der Universität Kassel. Er ist Mitbegründer der alternativen Verwertungsgesellschaft C3S und arbeitete als Referent im Kulturamt der Stadt Osnabrück. Seit Januar 2024 leitet er die Abteilung Kulturförderung und -beratung im Kulturamt der Stadt Kassel.