Hitliste der unbekannten Parks und Freiräume

In der grünen Großstadt Kassel glänzen nicht nur der Bergpark oder die Karlsaue. Viele Parks und Gärten in den Stadtteilen bieten Naherholung und Freizeitvergnügen. Sie würdigen wir ab heute mit der Serie „Hitliste der unbekannten Parks und Freiräume“.

Die Döllbachaue, die in den Park Rothenditmold überfließt, lädt mit ihren grünen Wiesen, guten Verstecken und fantastischen Fernblick sowie mehreren Spielplätzen ein, die Natur zu genießen.

Nach einem langen Winter ins Grüne hinauszugehen ist ein Bedürfnis, das uns tief innewohnt. Eine lange kulturelle Tradition hat es allemal. Man denke nur an Goethes Osterspaziergang, in dem von Hoffnungsglück und Auferstehung die Rede ist: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“ Wie treffend sind doch diese Zeilen für eine der grünsten Großstädte Deutschlands.

Dem Spazierengehen waren auch Jacob und Wilhelm Grimm sprachwissenschaftlich auf den Fersen. In ihrem Deutschen Wörterbuch schreiben sie, dass der Begriff „Spazieren“ - definiert als „zum vergnügen gehen, lustwandeln“ - seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar ist und sich über alle germanischen Sprachen verbreitete. Auch wenn im 17. Jahrhundert „lustwandeln allgemeine aufnahme fand und als litterarisches, gewähltes wort“ gebräuchlich oder später „das französische promenieren“ zeitweise bevorzugt wurde, sei spazieren der „allgemein volksthümliche ausdruck geblieben“. Welchem Begriff man auch immer den Vorzug geben mag - der Frühling ist da und lockt ins Grüne.

Gerade in der zurückliegenden Corona-Zeit haben viele das Flanieren als ganz ursprüngliche Form des Parkvergnügens wieder entdeckt. Kassel bietet hierfür – abseits von Buga, Karlsaue, Park Schönfeld oder dem Bergpark - eine Reihe reizvoller Parks, Gärten, Grünzüge und innerstädtischer Streuobstwiesen. Diese weiteren, spannenden Parks und Naturräume sind weitläufig genug und warten darauf, (neu) entdeckt zu werden. Als Anregung für den nächsten Spaziergang stellen wir deshalb alle zwei Wochen eine dieser Anlagen vor. Freuen Sie sich auf „Die Hitliste der unbekannten Parks und Naturräume“ und lernen Sie ganz nebenbei liebens- und lebenswerte Ecken unserer schönen Stadt kennen.

Teil 1: Die Döllbachaue in Rothenditmold

Starten wollen wir heute zu Ostern mit der Döllbachaue in Rothenditmold. Dabei wartet gleich eine Überraschung: Hinter der verkehrsreichen Wolfhager Straße und immer noch inmitten der Stadt entfaltet sich natürlicher Ausgleich. Der lockt mit grünen Wiesen, richtig guten Verstecken und fantastischem Fernblick sowie mehreren Spielplätzen. Naturnah gestaltet zeigt sich der Döllbach von seiner schönsten Seite, Kleingartenanlagen begleiten die Fuß- und Radwege. Fast die gesamte Döllbachaue liegt im Landschaftsschutzgebiet. 

Im fließenden Übergang schließen sich die Rothenditmolder Festwiese und der Park Rothenditmold mit seinem alten, großkronigen Baumbestand als direkte Nachbarn an. Hier ist also Berg und Tal, Wald und Wiese. Ruhe und Erholung oder ein schönes Picknick sind ebenso möglich wie sportliches Auspowern auf dem Bolzplatz oder beim Basketball. Oder erinnert sich noch jemand an die Tauziehwettbewerbe, die zu Beginn der Rothenditmolder Vereinswochen in der Döllbachaue stattfanden?

Durch extensive Pflege, das heißt zurückhaltendes Mähen, wird der Rodelhang von Frühjahr bis Herbst zur Schmetterlingswiese. Sogar Eidechsen und Fledermäuse finden ihre Nische, die einen auf den sonnigen Plätzchen in der Nähe der Bahngleise, die anderen in einem offen gelassenen Fledermausstollen. Dieser entstand 2003, als ein Bunker am Eingang der Aue auf Höhe der alten Henschelhallen ein dickes Betonrohr erhielt, in das die Fledermäuse seither ein- und ausfliegen können. Der Bunker selbst wurde anschließend mit einem Hügel aus Erde bedeckt. 

Wer mag, gelangt an den Gleisen entlang weiter bis zur Schenkebier Stanne und in die nächste grüne Anlage am Jungfernkopf. Dieser Rothenditmolder Volkswanderweg konnte nach langen Verhandlungen mit Mercedes Benz und der Deutschen Bahn AG 1999 eingeweiht werden. Ganz aktuell: Die Döllbachaue wird künftig Heimat der „Hessischen Lokalsorten des Jahres“, die der Pomologenverband alljährlich kürt. 21 waren es bisher, in diesem Frühjahr werden die ersten sieben Bäume gepflanzt. 

Lage der Döllbachaue mit ihren Eingängen (Rote Punkte).

Übrigens: Das Gewässer, das dem Grünzug seinen Namen gab, wechselt auf seinem Lauf durch verschiedene Stadtteile mehrmals seinen Namen. Als Geilebach entspringt er im Hohen Habichtswald in der Nähe vom Blauen See und wird erst nach Unterquerung der Bahnschienen östlich des DB-Ausbesserungswerks zum Döllbach. Auf Höhe der Schöfferhofstraße verschwindet er wieder in den Untergrund und vermählt sich dort mit dem ebenfalls kanalisierten Angersbach. Ab hier heißt er Mombach, doch bekommen ihn die Bewohner in Nord-Holland nicht mehr zu Gesicht. Erst am östlichen Ende der Mombachstraße hinter dem Kulturzentrum Schlachthof zeigt er sich kurz, um sogleich in die Ahna zu münden. Das Teilstück des Döllbachs zwischen dem Ausbesserungswerk und der Gelnhäuser Straße war das erste Fließgewässer in Kassel, dass 1986/87 renaturiert wurde. Künftig sind weitere Renaturierungen vorgesehen.